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Ihre Gegenwart ist eine Utopie für mich: Über Living Divine Empowerment

 „Es gibt Zukunftsvisionen, die an einem anderen Ort schon jetzt Realität sind, für mich aber eine Utopie darstellen. Muslim Futures für mich bedeutet, dass Gegenwart, Zukünfte und auch Vergangenheit miteinander verwoben sind.“

@hafssa.elbouhamouchi

Beschreibe dich gerne kurz in zwei, drei Sätzen.

Mein Name ist Hafssa El-Bouhamouchi, ich bin 30 Jahre alt und ich arbeite hauptberuflich momentan an meiner Promotion. Im Promotionsprojekt geht es um Praktiken islamischen Rechts (welchen Einfluss nimmt der säkulare Kontext auf die islamrechtliche Praxis). Seit einigen Jahren lebe ich zusammen mit meinem Mann in Südafrika, bevor es für uns weiter geht.

Worum geht es in deinem Projekt?

Mein Projekt ist natürlich ganz stark gekoppelt an meine Erfahrungen hier, ich habe vorher an einem Institut hier islamische Theologie studiert und dann auch durch das Leben verschiedene Kontexte und die muslimische Community kennengelernt und dann auch mein Promotionsprojekt hier angesiedelt. 

Mein Projekt „Living Divine Empowerment“ hängt nicht direkt damit zusammen, teilweise aber schon, weil es sich mit weiblichen Vorstellungen von muslimischer Community auseinandersetzt. 
Die Community hier hat eine unglaubliche Geschichte: Von Kolonialismus, Sklaverei und Unterdrückung zur Tradierung und Wahrung islamischer Gelehrsamkeit durch verschleppte Gelehrte. Die muslimische Community hat es geschafft über die Zeit der Religionsverbote und unter der Kolonialherrschafft zu überleben und das eben auch durch die Zeit der Apartheid hindurch. 
Das ist eine sehr bewegte und bewegende Geschichte und ebenso eine starke Community. Das zeigt sich jetzt eben am Status quo, also jetzt ist die muslimische Community in einer Demokratie, versteht sich als Teil der südafrikanischen Bevölkerung, die selbstverständlich ihre Rechte einfordert und Frauen haben dabei immer eine starke Rolle gespielt: Und das sowohl während der Kolonial- und Apartheidzeit und im Heute. Es gibt unzählige muslimische Aktivist:innen, die sich für Gerechtigkeit, Gleichheit und eben anti-rassistisch engagiert haben. 

Vor diesem historischen Hintergrund, der natürlich einwirkt auf heute, sind Frauen in der muslimischen Community in Kapstadt eine ganz starke, besondere, eigene Gruppe. So habe ich sie erlebt. Frauen, die ihre Religion selbstbewusst und unabhängig von männlicher Gelehrsamkeit leben und ihre eigenen Räume schaffen. Genau das möchte ich festhalten in einer Kurzdokumentation, durch ein historisches Narrativ, was ich aufbaue, um einen Kontext zu geben. Dann aber hauptsächlich im Herzen stehen eben diese Interviews mit den Frauen, die Aktivistinnen, Gelehrtinnen, Sozialarbeiterinnen und Künstlerinnen sind und ein diverses Bild von muslimischen Frauen in Kapstadt geben. Mit dem Fokus darauf, wie sie eine empowerte Zukunft imaginieren.

Was sind deine Assoziationen und Gedanken zu Muslim Futures?

Mit Muslim Futures assoziiere ich ein Bewusstsein dafür, wie alternative Zukunftsvisionen aussehen können. Damit meine ich Visionen, die abseits von Prognosen arbeiten. Denn Prognosen versuchen anhand von aktuellen Trends Entwicklungen zu erkennen, um diese entsprechend zu lenken und zu beeinflussen. Das ist sicherlich sinnvoll, aber Muslim Futures geht für mich nicht in diese Richtung, sondern bedeutet im Gegenteil einen kreativen, offenen und unbelasteten Umgang mit Gestaltungsmöglichkeiten, für Zukünfte von Muslim:innen und darüber hinaus.

Warum Südafrika dabei für mich interessant ist, ist weil es eine reale Gegenwart darstellt, die in Deutschland noch in der Zukunft liegt. Damit meine ich das Religionsverständnis, die praktizierte Religion und auch wie Individuen hier gesamtgesellschaftlich religiös selbstbewusst auftreten. Diese Situation hat sich über Jahrhunderte entwickelt und so eine Form des offenen Miteinanders können wir für Deutschland anvisieren. Das heißt, es gibt auch Gleichzeitigkeiten, es geht nicht immer um ein morgen. Es gibt Zukunftsvisionen, die an einem anderen Ort schon jetzt Realität sind, für mich aber eine Utopie darstellen. Muslim Futures für mich bedeutet, dass Gegenwart, Zukünfte und auch Vergangenheit miteinander verwoben sind.

Was inspiriert dich? Was lässt dich träumen, weitermachen und motiviert dich?

Vor kurzem habe ich mit einer Freundin und ehemaligen Kommilitonin einen Empowerment Workshop hier in Kapstadt organisiert. Sie hat gesehen, dass es eine Lücke gibt und ein Bedarf an Empowermentkonzepten,sowie an Empowermentarbeit ganz direkt mit muslimischen Frauen aus der Community, in Safer Spaces zum Beispiel. Natürlich existieren total viele Projekte und Engagements, aber gibt immer noch Bedarf für dezidiert religiöse Safer Spaces unter Musliminnen, die sich bestimmten Thematiken widmen. Was es zum Beispiel ganz viel gibt, sind Unterrichte nur für Frauen, die religiöse Inhalte bearbeiten. Es gibt nicht viele Räume, wo Frauen den Raum selber schaffen, proaktiv daran arbeiten, Beziehungen stärken und auch intergenerational lernen. Denn dort sind auch ganz viele Ressourcen, an die man anknüpfen kann, wo viel gelernt werden kann, in beide Richtungen. Das haben wir konzipiert und durchgeführt in einem Workshop mit ungefähr 30 Frauen. Der hauptsächliche Fokus war dabei die Auseinandersetzungen in den Kleingruppen, in denen viel Begegnung stattgefunden hat, in denen Kontakte geknüpft wurden und Ideen für weitere Workshops aufkamen. Und das soll auch weitergehen, es soll eine Reihe werden, mit verschiedenen Referentinnen, weil es einen Reichtum an Ressourcen gibt. Es gibt total viele starke Frauen, die viel beitragen können und wollen. Aber diese Synergien zu schaffen, das fehlt so ein bisschen. Und genau, das war so ein Moment, wo ich so amazed war, wie viel hier positives eigentlich passiert und dass die Leute sich engagieren, aber dass halt noch Bedarfe da sind und das ist ja normal. Es gibt immer Bedarf weiterzumachen, Dinge zu verbessern, neue Räume zu schaffen und mit neuen Impulsen weiterzudenken. Und durch den Workshop, den wir organisiert haben, haben auch Interviews stattgefunden für die Dokumentation. Dort habe ich gesehen, dass es nicht nur eine intellektuelle Auseinandersetzung ist, sondern dass es auch praktische Bedarfe gibt und dass mein Muslim Futures Projekt auch da ansetzt. 

Könntest du dein Projekt mit drei Emojis beschreiben?

🧕 💪 📹

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